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Citizen Development als Projekt-Management-Konzept

Hirzels Ansatz lässt sich mit dem an Change orientiertem Konzept von Citizen Development des PMI kombinieren. Citizen Development stellt darin einen elementaren Bestandteil eines hyperagilen Projektmanagements in der Softwareentwicklung dar (Hyperagile Software Development Life Cycle). Es umfasst unter anderem flache Hierarchien innerhalb der Organisation, ein die Mitarbeiter:innen miteinbeziehendes Entscheidungskonzept, eine ganzheitliche Bewertung der Arbeitsergebnisse, also auch den Lern- und Innovationseffekt inkludierend, einen hohen Grad an Automatisierung, schlanke Prozesse und das Verfolgen gemeinsamer Prinzipien, also eine geteilte und gelebte Organisationskultur [1]. Konkret können diese Ziele mittels neuer Organisationseinheiten als sog. Competence Center bzw. Center of Excellence oder alternativ in Citizen Development Communities umgesetzt werden. Je nach vorhandenen Organisationsstrukturen – ob tendenziell traditionell und hierarchisch oder gelockert – empfiehlt das Project Management Institute das formal und top-down gesteuerte Competence Center, selbstorganisierte Communities oder gar eine hybride Variante. Alle drei Formen haben gemeinsam, dass die Beteiligten in verschiedenen Rollen unter Zuhilfenahme von Low-Code-Plattformen – das PMI spricht in seinem Leitfaden auch von Citizen Development Application Platforms (CDAP) - eigenständig an neuen Projekten respektive den zu entwickelnden Anwendungen arbeiten. Die wichtigsten Rollen sind unter anderen [1]:

  • Citizen Development Practioner: Sie sind ausgebildete Anwendungsentwickler:innen nach den Prinzipien des agilen SDLC und bringen ein Mindestmaß an Kompetenzen in den Bereichen Entwicklung mit Low-Code-Plattformen, User Experience und architekturelle und prozessuale Einschränkungen mit.
  • Citizen Development Architects: Die sog. Architekt:innen managen den Projektverlauf sowie die erfolgreiche Zusammenarbeit mit IT und Fachbereichen. Sie verantworten die Umsetzung der Governancevorgaben und definieren die verschiedenen Rollen im Team. Ihre Aufgaben gleichen denen von agilen Coaches und Product Owner:innen.
  • Citizen Development Strategists: Die Strateg:innen bilden die Schnittstelle zwischen den Citizen Development-Einheiten und dem oberen Management. Sie koordinieren die organisationsweite Strategie und betreuen die Mess- und Bewertungsmechanismen der Projekte [1].

Diesen Zielmodellen gehen verschiedene Entwicklungsphasen voraus. Zunächst wird Citizen Development ohne formale Strukturen in einem einzelnen Projekt erprobt (Discovery). Anschließend wird ein sog. Citizen Development Squad mit den genannten Rollen etabliert und neue Formen der Zusammenarbeit mit den IT- und Fachabteilungen eruiert (Experimentation). Diese Phase beinhaltet bereits Schulungsmaßnahmen für zukünftige Entwickler:innen. Darauf folgt die Etablierung einer neuen Organisationseinheit für Citizen Development inklusive ausdifferenzierter Managementstrukturen und Aufgabenbereiche sowie professionalisierter Trainings (Adoption). In dieser Phase beginnt der sukzessive Ausbau der Einheit, welche durch weitere Maßnahmen, wie erweiterte Governancerichtlinien und Strategieanpassungen, weitergeführt wird (Scaling, Innovating) [1].

Ergänzend zu diesem Konzept definiert Mario Trentim in einem Blogeintrag des PMI Citizen Development folgendermaßen:

„The PMI Citizen Development framework takes a step further. A citizen developer is someone who applies business analysis, project management, and agile project management best practices combined with lean approaches and prototyping with the help of technical experts and IT, as needed, to make digital transformation a reality“ [2].

Dem Autor zufolge oszilliert Citizen Development zwischen Doing – also dem eigentlichen Konfigurieren von Anwendungen - und dem Management des Doing. Er schiebt nach: „As you can imagine, the “citizen developer” role, profession, or function has yet to be defined and tailored by organizations according to their needs“ [2].

Die Ausprägung von Citizen Development hängt demnach stark von den vorherrschenden Strukturen, den Bedürfnissen und schließlich auch der Veränderungsbereitschaft einer Organisation ab.

Quellen

[1]
o.V., „Citizen Development. The Handbook für Creators and Change Makers“, 2021.
[2]
Trentim, M., „Low-Code vs Citizen Development: Doing and the Management of Doing“, Projectmanagement.com/Blog, März 2021. Online at https://www.projectmanagement.com/blog-post/68631/Low-Code-vs-Citizen-Development--Doing-and-the-Management-of-Doing.